Es war kaum eine Stunde vergangen, als James und Cheng zu ihnen fanden. Elyon und Finan sa?en auf Jeskos Rücken, der d?send auf einer Lage Stroh im riesigen Stall lag. Der h?lzerne Bau war zwar hoch genug, doch nicht lang genug, sodass Jesko sich nicht frei bewegen konnte und meistens in sich selbst eingerollt auf dem Boden lag.
?Heiliges Gold!?, rief Cheng aus. Jesko riss den Kopf hoch. Finan lie? von seinem Fell ab, das er gerade zu mehreren Z?pfen geflochten hatte, und starrte in die entgeisterten Gesichter der zwei M?nner.
?Und ich dachte, ich w?re vorbereitet gewesen?, stie? James atemlos aus und kam vorsichtig n?her, w?hrend er Jesko mit riesigen Augen betrachtete. Als wollte er jede Einzelheit des Tieres für immer in sein Ged?chtnis einbrennen.
?Das ist ein erstaunlicher Fluch. Es sieht so ... natürlich aus. Fast wie das echte Tier.? Cheng legte den Kopf schief. ?Wie ist das m?glich??
Finan ahnte, was sie meinten. Zum einen hatte er Jannes Flughündin gesehen. Zum anderen gab es in der Bibliothek genug Lehrbücher mit Zeichnungen über die korrupte Schattenwesen. Einige hatten fürchterliche Fratzen, andere besa?en sechs menschliche Arme, die aus einem raupenartigen K?rper wuchsen. Wieder andere hatten drei K?pfe von drei verschiedenen Tieren.
Finan sprang ab und half Elyon hinunter. Es geschah v?llig unbewusst, da er es so oft getan hatte. Für einen kurzen Moment überlegte er noch, dass sie wahrscheinlich seine Hilfe nicht brauchte, doch sie hatte ihn bereits an der Schulter gepackt und sprang von Jesko ab.
In Momenten wie diesen fiel Finan erst auf, wie vertraut sie miteinander waren. Sie hatte am Anfang immer nur sehr st?rrisch seine Hilfe angenommen und alles alleine machen wollen. Finan gab zu, dass er dankbar für ihre Gesellschaft war, auch wenn er sie am Anfang für eine anstrengende Mitreisende gehalten hatte. Er fragte sich, ob Elyon sie als Freunde bezeichnete. Ob sie überhaupt das Konzept von Freundschaft kannte.
?Jesko, bleib liegen?, sagte Elyon, die einzige, die dem Drachen etwas befehlen konnte. Folgsam legte er den Kopf zurück auf das Stroh, sein Blick blieb jedoch auf die zwei Fremden.
?Der einzige Unterschied liegt tats?chlich an den Augen, ich kann ansonsten nichts feststellen?, murmelte James vor sich hin.
?Es f?llt mir schwer zu glauben, dass eine Korruption durch ein Biss allein eine so naturnahe Gestalt hervorbringen kann?, überlegte Cheng weiter. ?Das k?nnte damit zusammenh?ngen, dass der Ursprung des Fluchs bei Gestaltwandlern liegt. Immerhin hatte K?nig Elyon damals die gleiche Gabe wie seine Gattin und nach alten überlieferungen, war sie eine der m?chtigsten Gestaltwandlerinnen, die es jemals gegeben hat.?
?Das dachte ich mir auch schon!?, rief eine Frauenstimme vor der offenen Stalltür. Dort stand Heidrun in ihrer schwarzen Kluft und hielt sich keuchend an den Seiten. Sie lehnte sich mit einem Arm gegen den Torrahmen und wischte sich mit der anderen Hand über die Stirn.
?Es tut mir leid, ich habe versucht, so schnell wie m?glich meine Arbeit zu beenden. Argh! Ich habe wirklich keine Ausdauer?, ?chzte sie.
?Heidrun! Wie sch?n, endlich mal wieder dein schlafloses Gesicht zu sehen?, neckte James lachend.
?Ja, ja. Ich werde in diesem Jahrzehnt wahrscheinlich meinen Schlaf nicht mehr nachholen k?nnen.? Heidrun winkte ab und packte einen Stapel Bl?tter aus ihrer Schultertasche heraus.
?Die sind für euch. Ich habe Skizzen und Notizen mithilfe von Elyons Erz?hlungen und alten Schriften angefertigt.?
?Danke, Heidrun, du bist die Beste!?, sagte Cheng und nahm ihr voller Eifer den Packen aus der Hand.
James und er überflogen die Papiere, bis sie schlie?lich an einem h?ngen blieben. Von der Ferne erkannte Finan eine Zeichnung von Jesko.
?So wie ich es verstehe, funktioniert dieser Fluch ja so ?hnlich wie die Gabe der Gestaltwandler?, murmelte Cheng vor sich hin, w?hrend er intensiv das Bild betrachtete.
Elyon stellte sich zu Jeskos Kopf und streichelte seine Ohren.
?Ja, so sehe ich das auch?, stimmte James zu. ?Es ist wie eine organische Hülle, die den menschlichen K?rper umgibt. Je l?nger dieser Fluch weilt, desto schwieriger ist es für die Betroffenen, sich wieder in Menschen zu verwandeln, irgendwann übernimmt dieser Fluch das Bewusstsein des Menschen und die Verfluchten k?nnen sich gar nicht mehr verwandeln.?
?Die Frage ist,? warf Heidrun ein, deren Atmung sich wieder beruhigt hatte, ?ob der menschliche K?rper sich ebenfalls aufl?st, nachdem sie sich ihre Fellfarbe ?ndert, oder nicht. Dazu konnte Elyon mir keine Auskunft geben. Aber ausgehend von den Korruptionen aus Gerwenen würde ich behaupten, dass der ursprüngliche K?rper noch bestehen bleibt und demzufolge sollte es m?glich sein, Jesko noch herauszuholen. Dies k?nnte aber auch einfach nur naiver Optimismus meinerseits sein, ich gebe es zu.?
James und Cheng nickten nachdenklich.
?Gut, fangen wir doch mit dem an, was schon versucht wurde. Elyon, Finan, was habt ihr oder andere schon versucht, um den Fluch aufzuheben??, fragte James.
?Nichts?, sagte Elyon mit nüchterner Stimme.
Finan konnte es ihr nicht übelnehmen. Sie hatte genug damit zu tun gehabt, einfach zu überleben und hatte im Vergleich zu ihm erst vor kurzem von dem Fluch erfahren. Also war er nun wohl an der Reihe. Finan nahm tief Luft und versuchte w?hrend seiner Aufz?hlung nicht auf die genauen Worte zu achten, um sich nicht an die grauenhaften Bilder zu erinnern, die damit verbunden waren.
?Verschiedenste Kr?uter, Heiltrunke von ?rzten und Scharlatanen, die meisten waren mit irgendwelchem Tier-, Drachen- oder Menschenblut gemischt. Das, was am besten funktioniert hat, war sie hungern und dursten zu lassen. Das hat aber, wenn überhaupt, eine Verwandlung nur verschoben, nicht verhindert. Auch das Abschneiden von verschiedenen K?rperteile wie Kopf, Beine oder Schwanz wurde probiert, doch das hat nicht funktioniert, die K?rperteile sind wieder nachgewachsen.?
W?hrend Finan alles aufz?hlte, wurden die Augen der drei ?lteren immer gr??er.
?Makaber?, wisperte Heidrun, ihre Worte gefüllt mit Grauen.
?Nun, wir haben, trotz fragwürdiger Methoden, zumindest schon einmal einen Ansatz?, sagte Chen leise.
?Ihr habt nur K?rperteile abgeschnitten? Niemals versucht, nur dort aufzuschneiden, wo der menschliche K?rper liegt??, hakte James nach.
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Finan schüttelte den Kopf. ?Es war schwer genug, die Tiere so au?er Gefecht zu setzen, dass sie keine Gefahr für die M?nner waren. Ich kann mir nicht vorstellen, wie man das anstellen sollte. Man kann sie kaum bet?uben, um so pr?zise zu schneiden.?
?Traumtod?, warf Elyon ein. ?Traumtod beruhigt sie. Vielleicht auch bet?uben.?
?Was ist Traumtod??, fragte Heidrun.
Elyon versuchte, die Pflanze zu beschreiben, wie sie aussah, den Duft und den Geschmack. Zu viel davon konnte einen Menschen leicht umbringen, doch Finan selbst trank gerne eine kleine Menge mit warmem Wasser, wenn er nicht schlafen konnte.
?Das klingt nach Troumenkraut, ich kann das aus der Apotheke besorgen?, sagte Heidrun und schrieb etwas in ihr Notizheft.
Cheng meldete sich zu Wort. ?James, bedeutet dies, dass du versuchen m?chtest, Jesko aus dem Drachen herauszuholen??
Finan fühlte, als würde man ihn in den Magen schlagen. Jesko aufschneiden? Er war fast wie ein Vater für ihn, auch wenn er eigentlich Nevin zugeteilt worden war. Er traf den Blick des Drachens. Dieser g?hnte nur. Wie viel Jesko wohl von der Unterhaltung verstehen konnte? Oder konnte er nur Elyon verstehen?
?Dies w?re mein erster Vorschlag, ja, auch wenn mir bewusst ist, dass es sehr gef?hrlich werden k?nnte. Was glaubt ihr, Finan und Elyon? W?rt ihr damit einverstanden??
?Moment, moment, bevor sie entscheiden, sollten wir uns ausmalen, was der schlimmste Ausgang dieser Prozedur sein k?nnte, um die Risiken abzuw?gen?, warf Cheng ein.
?Guter Einwand, mein Freund.?
Finan atmete erleichtert auf. W?re er im Kaiserreich, h?tte er ihnen bereits seine Meinung gegeigt, doch mit Gerwenisch als Hindernis und der Tatsache, dass sein Titel ihm hier nur wenig Autorit?t verlieh, hielt er lieber seinen Mund, auch um keine zukünftigen diplomatischen Beziehungen zu zerst?ren, die Finan bereits jetzt schon plante. Doch er würde alle gerwenischen W?rter nutzen, die er gelernt hatte, um Jesko vor t?dlichen Verletzungen zu schützen.
?Der erste Ausgang ist ganz leicht, er k?nnte sterben?, sagte Heidrun. Eine betroffene Stille breitete sich im Stall aus.
?Ich habe einmal jemanden herausgeholt, doch der Drache war bereits tot?, sagte Elyon leise. ?Aber ich wei? ungef?hr, wo er sich befinden k?nnte.?
Ihre tiefe Stimme, gepaart mit den Worten und ihrem finsteren Blick jagten Finan einen unangenehmen Schauer ein.
?Nun, es k?nnte aber auch sein, dass Jesko die Schmerzen spürt, trotz Bet?ubung, dann wird es gef?hrlich für denjenigen, der die Operation durchführt?, überlegte Cheng.
?Hei?t, wenn Elyon dies übernimmt, k?nnte sie verletzt oder get?tet werden?, erg?nzte James.
?G?be es nicht eine M?glichkeit, dass er sich selbst wieder aus dem Drachen befreit??, fragte Cheng.
James und der schwarzhaarige Mann tauschten Blicke aus. Auch Heidrun schien zu überlegen.
?Wie soll das gehen??, fragte Finan. Er konnte sich nicht vorstellen, wie das m?glich sein sollte. Sonst h?tten die Betroffenen dies doch schon l?ngst selbst versucht, nach Finans Meinung.
?Wenn Elyon Befehlsgewalt über die Drachen hat, k?nnte sie nicht vielleicht etwas mit ihrer Macht ausrichten? Jesko befehlen, sich selbst aus dem Drachen zu befreien?? James trat einen Schritt n?her auf Jesko zu. ?Ein Versuch kostet nichts und sollte hoffentlich niemandem schaden. Ich vermute, dass du Elyon, deine Gabe einsetzen musst, um dich mit Jesko zu verbinden. Du kannst es gerne jetzt gleich ausprobieren, w?hrend wir dabei sind. Aber wenn du dich nicht bereit dazu fühlst, ist es natürlich auch in Ordnung, es ein anderes Mal zu probieren. Wir sind ja noch ein paar Tage da, falls du unsere Unterstützung haben m?chtest.?
Elyon schüttelte den Kopf. ?Ich versuche es jetzt.?
Finan hatte diese Antwort von ihr bereits erwartet. Elyon war nicht jemand, der unn?tig z?gerte. Da sie sowieso neben Jesko stand, streckte sie ihre Hand aus und berührte ihn über seine Nüstern. Dann schloss sie die Augen und blieb regungslos vor dem Drachen stehen. Zun?chst passierte nichts. Elyon verharrte still und schweigend. Finan vermutete, dass Elyon mit Jesko wie mit Valka kommunizierte. Auch der Drache wirkte wie erstarrt. Wie in Trance starrte er in die Leere.
Ein Zischen unterbrach die Stille. Finan konnte zun?chst nicht deuten, woher es kam, erst als bald darauf ein dünner schwarzer Nebel aus Jeskos Augen, Ohren und Nüstern heraus str?mte, war die Quelle gefunden. Finan spannte den K?rper an und wollte auf Elyon zulaufen, doch die anderen bewegten sich nicht von der Stelle und beobachteten nur, was Finan zurückhielt, da er hoffte, dass sie mehr Ahnung von dem hatten, was da gerade vor sich ging.
Cheng stie? einen fremdl?ndischen Laut aus, der nach einem Schimpfwort klang.
?Sollten wir eingreifen??, fragte Heidrun atemlos. Finan spannte wieder seinen K?rper an, doch James schüttelte den Kopf. ?Warten wir noch kurz?, sagte er, ohne die Augen von Elyon zu lassen.
Finan tat es ihm nach, sein K?rper immer noch angespannt, er ging leicht in die Knie, sollte er ihr zu Hilfe eilen müssen.
Der Nebel war nicht besonders stark und verflüchtigte sich knapp über Jeskos Kopf. Elyons Gesichtsausdruck war konzentriert, aber weder angestrengt noch schmerzverzerrt. Finan behielt weiterhin beide im Auge.
Da jaulte Jesko auf, ein dicker Strom des Nebels str?mte aus seinem Maul heraus und bildete einen Kokon um Elyon. Sie lie? erschrocken ihre Hand los, dann wurde auch diese von dem Nebel verdeckt. Es geschah zu schnell, als Finan und die anderen zu ihr hinliefen, war sie bereits komplett vom Nebel bedeckt. Jesko fiel regungslos in sich zusammen.
?Jesko!?, rief Finan. Er überlie? Elyon den anderen und wandte sich seinem Ziehonkel zu.
Der Drache lag mit geschlossenen Augen da. Das Maul offen, die Zunge hing schlaff. Finan packte seinen Kopf mit den H?nden und schüttelte ihn.
?Jesko, Jesko, wach auf!?
Der Drache bewegte sich nicht. Finans H?nde begannen zu zittern, es fühlte sich an, als würde sein Herz kurz stehen bleiben.
?Komm schon, Finan, rei? dich zusammen?, sagte er leise zu sich selbst und hielt seine Hand vor Jeskos Nüstern. Als er einen warmen Hauch auf seiner Handfl?che spürte, atmete er erleichtert auf.
?Elyon! Kannst du uns h?ren??
Elyon war immer noch in dem Nebel gefangen, doch statt unf?rmig um sie herumzuschwirren, zog er sich in die L?nge. Bald war ein Kopf zu erkennen. Der Kopf eines Flugdrachens.
?Elyon! Elyon!?, riefen alle drei. Sie standen um die Nebelschwaden, doch keiner traute sich n?her ranzugehen.
?Cheng!?, rief James.
Dieser streckte seine H?nde aus, ging in die Knie und spannte seine Finger an. Eine Eispfütze formte sich um die Nebelschwaden auf dem Boden. Cheng krümmte seine Finger immer mehr zusammen, dann zog er seinen Arm hoch und das Eis schoss in die H?he und fing den Nebel in ein glasklares Gef?ngnis ein. Hinter dem Eis waberte der Nebel für ein paar Augenblicke, doch je l?nger es in dem Eis gefangen blieb, desto stiller wurde der Nebel.
Wie gebannt starrte Finan auf Chengs Konstrukt, das knisterte und klirrte. Seine Hand war immer noch ausgestreckt und angespannt, ein Zeichen, dass er das Eis nach innen weiter ausweitete.
?Da, ich habe sie gefunden?, rief Cheng aus und entspannte seine Hand. Der Nebel l?ste sich auf, Elyon war endlich wieder sichtbar. Cheng machte eine wischende Bewegung und das Eis l?ste sich in Wasser auf. Finan rannte auf Elyon zu. Ihr blasses Gesicht wirkte wie bet?ubt, ihre Lider waren geschlossen. Er griff gerade noch nach ihren Oberarmen, ehe sie zusammenbrach.
Er sackte mit ihr auf den nassen Boden zusammen. Ihr K?rper fühlte sich eiskalt an. Schnell schlang er seine Arme um sie und griff auf seine Gabe zurück, um seinen K?rper aufzuheizen.
Elyon war viel kleiner als Finan und er musste sie auf seinen Scho? hochnehmen, damit ihr Kinn auf seiner Schulter lag.
?Atmet sie??, fragte er mit zitternder Stimme. Sein Herz raste in seiner Brust.
Heidrun trat auf sie zu und sah nach.
?Ja, sie atmet. Sie ist nur bewusstlos. Das passiert h?ufig wenn jemand von einer Korruption angegriffen wird.?
Finan fragte nicht, was genau geschehen war. Er hatte genug damit zu tun, Elyon zu halten und aufzuw?rmen, sowie seinen K?rper darzubringen, nicht wegen dem Schreck wie verrückt zu zittern.