Es gab ein gro?es Problem. Elyon verwandelte sich nicht zurück in eine Menschen. Es war bereits ein ganzer Tag vergangen, seit sie in die Stadt zurückgekehrt waren. Und Elyon war immer noch gefangen in ihrer schwarzen Wolfsgestalt.
Finan stand ratlos vor Elyon, die sich mittlerweile gemeinsam mit Valka zu Jesko in den Stall gesellt hatte und dort ein Nickerchen hielt.
W?hrend James und Cheng nur leicht beunruhigt über ihren Zustand waren, schien es für alle W?chter, die darüber Bescheid wussten, eine Katastrophe zu sein. Selbst Wotan hatte vor lauter Sorgen die Sprache verloren, als er Elyonh am Vormittag gesehen hatte.
Finan konnte seine Reaktion einigerma?en nachvollziehen. Es war schlie?lich nun noch schwieriger mit Elyon zu kommunizieren, jetzt wo sie ein stummer Wolf war. Doch bis jetzt hatte sie weiter nichts getan, dass ihm irgendeinen Anlass zur Sorge bereitete. Sie war ruhig, sie konnte alles verstehen, was um sie herum passierte, was man ihr sagte und im Vergleich zu dem abscheulichen Ungeheuer, dem sie vor kurzem begegnet waren, sah Elyons Schattengestalt um einiges sch?ner aus. Wie ein gro?er, m?chtiger Wolf, der aus schwarzem Nebel gemacht war, mit strahlend wei?en Augen.
Doch so sch?n er ihre Gestalt auch fand, er wollte die menschliche Elyon zurückhaben. Finan wollte nicht riskieren, dass sie sich selbst verlor. Es musste einen Weg geben, ihr zu helfen.
Er ging mit festen Schritten auf sie zu. Seine raschelnden Schritte weckten Elyon auf und ihre Ohren zuckten, w?hrend sie ihn mit einem offenen Auge beobachtete.
?Elyon, k?nntest du bitte noch einmal versuchen, dich wieder zurückzuverwandeln? Du hast doch noch nicht aufgegeben, oder??
Elyon seufzte und klang eindeutig genervt dabei, doch sie stand auf, streckte sich und baute sich mit einem entschlossenen Blick vor Finan auf. Dann machte sie einen Buckel, drückte die Pfoten gegen den Boden und streckte sich, dass ihr ganzer K?rper zitterte. Das hatte sie auch die letzten Male gemacht, w?hrend sie versucht hatte, wieder die eigene Gestalt zurückzugewinnen.
Der Nebel waberte, als würde er von etwas geschüttelt werden. Ein Gedanke dr?ngte sich Finan auf und statt ihn zu hinterfragen, folgte er der Intuition, einfach in den Nebel hineinzugreifen.
Elyon japste erschrocken.
Feuchte K?lte fuhr über Finans Arme und ein schmerzhafter Schauer fuhr durch seine Haut. Doch er zwang sich dazu, zu bleiben. Elyon stand wie erstarrt vor ihm, w?hrend er seine Arme weiter ausstreckte, bis er den Kopf zur Seite drehen musste, um tiefer in den Nebel hineinzugreifen. Seine Fingerspitzen trafen auf etwas Haariges und Hartes.
?Elyon??, fragte er vorsichtig, da packte ihn etwas am Handgelenk, ein stechender Schmerz fuhr durch seinen Kopf und Finan verlor die Sicht.
?Finan, nicht!?
Der Wolfsk?rper schauderte und schüttelte sich, dann sprang Elyon zurück und Finan fiel auf die Knie.
Die Welt schwankte und er sah wie durch einen Dunstschleier.
?Elyon?, st?hnte Finan durch zusammengebissene Z?hne, w?hrend sein Kopf mit so einer Wucht pochte, dass ihm schlecht wurde und er sich mit den H?nden auf dem Boden abstützen musste.
Eine gro?e Schnauze fuhr durch sein Haar. Jesko wimmerte dicht neben seinem Ohr.
?Macht das nicht wieder!?, h?rte er eine ihm bekannte Stimme. Es war Elyons.
Finan blinzelte mit den Augen, w?hrend er seine Schl?fen rieb, doch seine Sicht war immer noch unscharf. Was war nur geschehen? War das die Korruption, die ihn irgendwie getroffen hatte? Hatte er sich irgendwie angesteckt?
Statt sich auf die Beine zu zwingen, blieb Finan für ein paar Augenblicke auf seinen Knien und atmete tief durch. Nach einer Weile verschwand das seltsame Gefühl in seinem Kopf und er konnte wieder scharf sehen.
Elyon hatte sich auf die andere Seite des Stalls hinbewegt und be?ugte ihn mit einem Blick, der für Finan besorgt wirkte, auch wenn er keinen Ausdruck in ihren leeren, wei?en Augen sehen konnte.
?Du hast gerade gesprochen, nicht wahr??
?Geht es dir gut? Verletzt??, fragte sie und Erleichterung quoll in ihm auf, als er ihre tiefe, rauchige Stimme h?rte.
Er stand auf und klopfte sich den Staub von der dunkelroten Hose ab.
?Ja. Es geht wieder, keine Sorge.?
Elyon bewegte sich nicht von der Stelle, w?hrend Valka und Jesko alles von der Seite beobachteten, noch gemütlich eingenistet in der dicken Strohschicht.
?Wir sollten das noch mal versuchen, Elyon.?
Sie starrte ihn nur an. Dann schüttelte sie den Kopf.
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?Doch, ich bin mir ziemlich sicher, dass ich deinen Kopf erwischt habe. Vielleicht kann ich dich ja irgendwie herausziehen.?
?Nein!?, rief Elyon, machte auf dem Absatz kehrt und trottete Richtung Stalltür.
?Jesko! Halt sie zurück!?
Der riesige Drache brauchte nur den Schwanz zu heben und legte ihn vor der Stalltür. Elyon wich zurück und knurrte Finan an.
?Bleib weg! Es ist zu gef?hrlich!?
?Das ist mir egal. Lass es mich nochmal versuchen.? Er trat auf sie zu, doch sobald er ihr zu nahe kam, wich sie aus und lief zu einer anderen Ecke des Stalls. Elyon war zu flink, um ihr den Weg abschneiden zu k?nnen.
?Jesko, hilf mir!?, rief Finan und der Drache stand seufzend auf. Mit seiner riesigen Pfote packte er Elyon, ehe sie weglaufen konnte und nagelte sie auf den Boden fest. Elyon wandte sich in seinem Griff und biss in seine Pfote, was nicht mal ein Augenzucken in Jesko hervorrief.
Finan konnte endlich nahe genug an sie herankommen, um seine H?nde in ihren Brustkorb zu stecken.
?Nein! H?r auf!?
Sie legte den Kopf auf den Boden und schnappte nach seiner Hand.
?Ich bitte dich, als würdest du mich jemals bei?en. Stell dich nicht so an und lass es mich noch einmal versuchen!?, schimpfte Finan.
?Nein! Ich vielleicht nicht, aber der Fluch!?, rief Elyon wütend. ?Bitte, lass es!?
?Auf keinen Fall! Ich riskiere es nicht, dass du von der Korruption eingenommen wirst und dich selbst verlierst! Das ist mir schon oft genug passiert!?, rief Finan und versuchte seine Hand in ihren nebligen Hals zu stecken, gleichzeitig versuchte Elyon ihm auszuweichen. ?Gib mir ein Versuch! Nur noch einen einzigen!?
Jesko nahm seine andere Vorderpfote, um Elyons Kopf festzuhalten, sodass sie sich kaum noch bewegen konnte und Finan konnte endlich seine Hand in den schwarzen K?rper strecken. Warum Jeskos Pfoten nicht hindurch sinkten, konnte Finan sich nicht erkl?ren. Doch das war egal, solange seine H?nde durch den schwarzen Nebel greifen konnten.
Wieder packte ihn die widerliche K?lte, doch dieses mal w?rmte er seine Arme mithilfe seiner Gabe auf und suchte nach Elyons menschlichen K?rper. Seine Gabe war wie ein Schild, denn die K?lte blieb aus, er spürte auch kein stechendes Gefühl. Vorhin war es, als h?tte der Nebel versucht ihn abzuwehren, doch jetzt glitt Finan mühelos hindurch und traf bald wieder auf Elyons dickes Haar.
?Elyon, greif nach meinem Arm!?, presste Finan durch zusammengebissene Z?hne. Jetzt spürte er wieder einen unangenehmen Druck gegen seine Arme, als würde der Nebel sich ihm aufdr?ngen, doch Finan lie? sich nicht abhalten und lie? noch mehr von einer Gabe durch seine Arme flie?en. Die W?rme und Anstrengung trieb den Schwei? auf seine Stirn.
?Ich kann nicht?, wimmerte Elyon.
Finan fluchte leise, behielt eine Hand auf ihrem Kopf, w?hrend die andere nach ihrem Arm, oder wenigstens der Schulter suchte.
Da fing Elyon an zu knurren. Nicht wie sie es früher gemacht hatte, sondern tiefer, gr?lender. Wie ein wildes Tier. Der Laut brachte sein Herz zum Beben, der Schwei? floss nun in Str?men von seiner Stirn und etwas in ihm wollte von ihr ablassen und so schnell wie m?glich fliehen. Doch Finan biss die Z?hne zusammen und vertraute darauf, dass Jesko Elyon weiterhin gut festhalten würde.
Ein heftiges Beben brachte seine Arme zum Schütteln. Er wollte weiter nach Elyons restlichem K?rper suchen, doch ein Gefühl wie tausend Messerschnitte durchfuhr ihn und es kostete Finan seinen letzten Funken an Willenskraft, um nicht seine Arme einfach herauszuziehen.
?Elyon! Rei? dich zusammen und gib mir deine Hand! Ich sterbe hier sonst noch!?, brüllte er in den Nebel hinein. Er fuchtelte im Nichts herum, versuchte panisch irgendeinen anderen Teil von Elyon zu fassen zu kriegen, als ihm etwas entgegenkam. Endlich. Glatte Haut. Dünnes Gelenk. Ihr Arm.
Finan packte danach und versuchte Elyon mit einem Ruck herauszuziehen. Doch sie bewegten sich nicht von der Stelle. Dafür tat es der Nebel. Er waberte langsam in Richtung seines Gesichts und Finan musste es schnell zur Seite drehen, um nicht in der kalten Dunkelheit zu ersticken. Die K?lte griff wie eiserne Ketten nach seinen Beinen und Oberk?rper.
?Verflucht!? Finan wollte nicht loslassen, jetzt wo er Elyon endlich gefunden hatte. Doch es war niemand da, um ihn zu helfen. Jesko musste die Wolfsgestalt festhalten. Er h?tte jemanden holen sollen, doch jetzt war es zu sp?t. Finan überlegte fieberhaft, was er nun tun sollte. Loslassen? Sich vom Nebel verschlucken lassen? Als der Nebel seine Lippen berührte, k?lter als Gerwenens Winterluft, gefror ihm das Blut in den Adern.
Er wollte instinktiv loslassen, doch da packte ihn etwas am Mantel und zerrte knurrend daran. Valka.
Der wei?e Wolf zog ihn ein Stück von dem Nebel weg und für einen kurzen Augenblick, sah er Elyons Fingerspitzen, ehe sie wieder im Nebel verschwanden. Die Wolfsgestalt unter ihm versuchte sich winselnd zu schütteln. Finan biss die Z?hne zusammen und lie? noch mehr von seiner Gabe frei. Wenn er schon Schmerzen haben musste, dann lieber welche, die von ihm selbst kamen.
Gemeinsam mit Valka zerrte er weiter an Elyon. Es fühlte sich an, als würde sie tief in einem Moor stecken, dass sie einfach nicht freigeben wollte. Er fürchtete schon, ihr den Arm auszukugeln. Doch es passierte nicht. Stück für Stück tauchte eine Fingerkuppe auf, dann die ganzen Finger, dann sah er ihre Hand.
Finans Arme zitterten vor Anstrengung, auch seine Beine drohten nachzugeben, w?hrend sie vor Schmerzen und Hitze brannten. Doch Finan gab nicht nach.
Sobald Elyons ganzer Arm endlich frei von dem Nebel war und Finan ihr Haar sehen konnte, verstummte Valka.
Besorgt warf Finan einen Blick zurück. Die F?he l?ste langsam ihre Z?hne von seinem Mantel. Finan drückte sofort die Beine noch fester gegen den Boden, um Elyon nicht dann zu verlieren, wenn Valka ganz loslie?.
Er dachte schon, dass die F?he ihn einfach sitzen lassen würde, doch das schlaue Tier sprang auf Elyon zu, direkt in den Nebel hinein, ihr Kopf verdeckt von Schw?rze. Doch nicht für lange. Auf einmal war das Ziehen viel leichter und schon bald tauchte Elyons ganzer Kopf auf, gemeinsam mit Valka, die Elyon am Saum ihrer Jacke herauszog. Ihr Gesicht war v?llig leblos, dunkle Augenringe und ein blasses Gesicht verrieten, dass es ihr nicht gut ging.
?Elyon!?, rief Finan erleichtert und alle Schmerzen, alle brennenden Glieder waren vergessen. Er packte sie um die Schultern und mit einem heftigen Ruck zog er sie vollst?ndig aus dem Nebel heraus.
Finan fiel mit Elyon auf seiner Brust zu Boden. Das Stroh d?mpfte den Fall, doch Elyons K?rper drückte ihm die Luft aus den Lungen heraus.
St?hnend und keuchend lag er da, Elyon fest in seine Arme geschlossen. Er atmete tief ein und aus, ein und aus, tastete dabei Elyons Rücken ab und horchte, ob sie noch atmete.
Als seine Lungen sich einigerma?en erholt hatten, setzte er sich vorsichtig auf und betrachtete Elyon.
Sie atmete, sie war unverletzt. Sie war zurück. Valka tapste behutsam an ihre Gef?hrtin heran und schnupperte an ihr. Auch Jesko kam n?her und winselte leise. Die schwarze Wolfsgestalt war spurlos verschwunden.
Vorsichtig klopfte er mit der flachen Hand gegen Elyons Wange, doch ohne Erfolg. Sie wachte nicht auf.